Einleitung
Ein Verbundwerkstoff besteht, wie der Name vermuten lässt aus einem Verbund verschiedener – aber mindestens zwei – Ausgangsstoffe. Neben der Harzmatrix ist die Verstärkung ein wichtiger Bestandteil von Verbundwerkstoffen – auch Composites genannt. Die Harzmatrix dient dazu das Gewebe einzubetten und zu stützen und übernimmt hierbei vor allem zwei Aufgaben: Das Einleiten der mechanischen Lasten in die Fasern und das Schützen der Verstärkung vor äußeren Umwelteinflüssen, wie z.B. Chemikalien. Hauptsächlich finden für Verbundwerkstoffe Epoxid-Harze, Phenol-Harze, Silikon-Harze und Melamin-Harze Verwendung. Neben den verwendeten Harzsystemen spielen natürlich auch die verwendeten Fasern eine entscheidende Rolle für die Eigenschaften der Verbundwerkstoffe. Aus Fasern werden Garne gezwirbelt, gedreht oder gelegt und aus diesen Garnen wiederum Gewebe hergestellt. Diese wiederum verstärken die Verbundwerkstoffe. Diese kurze Einleitung zum Thema der Gewebe als Verstärkungsmaterial in Verbundwerkstoffen soll von der kleinen Faser über das größere Garn zum großen Gewebe aufgebaut werden.
Fasern als Bausteine von Garnen
Fasern lassen sich aus verschiedenen Materialien herstellen. Die Materialien haben unterschiedliche Eigenschaften und unterschiedliche Verwendungszwecke. Die geläufigsten Faser-Materialien für Verbundwerkstoffe sind Glas, Aramid, Kohlenstoff, Kunststofffasern wie Polyethylen oder Naturfasern wie Cellulose und Baumwolle.
Glasfasern
Glasfasern sind kostengünstig in der Herstellung und mechanisch sehr stabil. Diese Kombination macht Glasfasern zu den am meisten verwendeten Fasern für Verbundwerkstoffe. Lediglich in Anwendungen wo extreme Leichtbauanforderungen herrschen, wie beispielsweise der Luftfahrt werden leichtere Fasern wie zum Beispiel Kohlenstofffasern bevorzugt. Glasfasern unterscheiden sich in E-Glas und S-Glas. Das E in E-Glas steht für „electric“. Diese Fasern werden vor allem für Verbundwerkstoffe im Bereich elektrischer Isolationen verwendet und haben einen Marktanteil von 90% der verschiedenen Glasfaserarten. Das S in S-Glas steh für strength – also Stärke oder Festigkeit. Diese Fasern weisen durch eine andere Zusammensetzung eine erhöhte Festigkeit auf. Es gibt auch noch andere Glasfaserarten wie das säurebeständige EGR, das Temperatur und Feuchtigkeitsbeständige R-Glas oder das Q-Glas für sehr hohe Temperaturen. Diese Glasfaserarten sind allerdings eher Nischenprodukte.
Kohlenstofffasern
Kohlenstofffasern haben ausgezeichnete mechanische Eigenschaften bei sehr geringem Gewicht bzw. geringer Dichte. Allerdings sind diese Fasern im Vergleich zu Glasfasern sehr teuer. Daher finden Kohlenstofffasern nur da Anwendung, wo eine extreme Anforderung an die Dichte des Materials herrscht. Diese Märkte sind vor allem die Luftfahrt, aber zunehmend auch Mobilitätsanwendungen am Boden, Rennsport und vermehrt auch Breitensportgeräte, wie Rennräder und Mountainbikes. Kohlenstofffasern werden vor allem nach Eigenschaften kategorisiert, wie der Festigkeit, der Steifigkeit oder des Elastizitätsmoduls.
Aramidfasern
Aramid ist ein Kofferwort zusammengesetzt aus Aromatisches Polyamid. Es handelt sich also um ein Polymer und damit ebenfalls streng genommen um eine Kunstfaser. Allerdings kommt den Aramidfasern eine besondere Bedeutung zu, da sie einen sehr großen Einsatz im Bereich ballistischer Verbundwerkstoffe haben. Aramidfasern weisen nämlich eine extrem hohe Bruchdehnung auf. Hierdurch sind sie in der Lage sehr viel Energie aufzunehmen. Dies verbessert die ballistischen Fähigkeiten, da bei einem Beschuss ein Verbundmaterial auf Basis von Aramidfasern, sehr viel kinetische Energie vom Projektil aufnehmen kann und dieses damit zu stoppen vermag.
Kunststofffasern
Andere Kunststofffasern, die als Verstärkung von Verbundwerkstoffen eine Rolle spielen sind Polyester-Fasern, Polyamid-Fasern und auch Polyethylen. Durch die unterschiedlichen Eigenschaften dieser Fasern werden unterschiedliche Verbundwerkstoffe erzeugt für eine Vielzahl von Anwendungen.
Naturfasern
Die wichtigsten Naturfasern, die als Verstärkung von Verbundwerkstoffen Verwendung finden sind Cellulose-Fasern und Baumwoll-Fasern. Cellulose, als Naturprodukt aus Bäumen gewonnen, lässt sich nicht zu einem Garn spinnen. Diese Fasern werden als Papierform mit unorientierter Faserausrichtung verwendet. Baumwollfasern werden hingegen schon zu Garnen gesponnen und zu Geweben weiterverarbeitet. Naturfasern weisen ebenfalls eine geringe Dichte auf, sind allerdings mechanisch längst nicht so stabil wie Glasfasern und Kohlenstofffasern. Baumwollfasern haben allerdings einen geringen Reibungskoeffizienten weswegen Verbundwerkstoffe auf Baumwollgewebebasis als Gleitlager, Gleitschienen und als Kugellagerkäfige Verwendung finden.
Garne
Garne werden nach DIN 60900 definiert als ein „Sammelbegriff für linienförmige textile Gebilde“ – also ein langer und dünner Verbund aus mehreren Fasern. Dieses Zwischenprodukt wird aus den oben beschriebenen Fasern hergestellt und stellt die Basis jedes Gewebes dar. Also aus mehreren Fasern werden Garne hergestellt und Garne werden dann zu Geweben verwoben. Es werden zwei unterschiedliche Garntypen unterschieden. Stapelfasergarne bestehen aus endlich langen Fasern, welche miteinander verdreht werden und so hauptsächlich durch Reibung aneinanderhaften. Mit Enlosfasern, also theoretisch unendlich langen Fasern, lassen sich auch Filamentgarne herstellen. Diese müssen nicht miteinander verdreht werden. Die Fasern können auch schlicht nebeneinander liegen und so einen losen Verbund bilden. Aus Naturfasern lassen sich keine Filamentgarne herstellen, da diese immer nur eine gewisse Länge aufweisen.
Schlichte
Für die weitere Verarbeitung wird auf die Garnoberfläche eine sogenannte Schlichte aufgebracht. Diese glättet zum einen die Oberfläche der Garne und macht sie auch widerstandsfähiger. Dieser Prozessschritt ist notwendig, damit das Garn die mechanischen Kräfte durch Zug- und Biegebeanspruchung aber vor allem auch Reibungskräfte während des Webens aufnehmen kann ohne zu Versagen. Normalerweise wird die Schlichte nach dem Weben durch Waschen, mit Säuren, Sulfaten, thermisch oder enzymatisch wieder entfernt. Diesen Vorgang nennt man Entschlichten. Es gibt jedoch auch den Fall, dass man die Schlichte als Haftvermittler zwischen Harzmatrix und Garn auf dem Gewebe belässt. In diesem Fall muss die Schlichte, aber passend zum Harz ausgewählt werden. Für Epoxyde finden beispielweise Silanschlichte Verwendung.
Gewebe
Von einem textilen Gewebe spricht man, wenn Fäden aus zwei verschiedenen Richtungen miteinander so zusammengelegt werden, dass diese einen weitestgehend festen Verbund erzeugen. In der Regel kreuzen sich die Fäden in einem annähernd rechten Winkel (also unter 90°). Man spricht vom Kettfaden in der einen Richtung und vom Schussfaden in der anderen. Kettfäden verlaufen in Längsrichtung also parallel zur Gewebekante und Schussfäden quer hierzu, also parallel zum Geweberand. Die Verbindung der Kettfäden und der Schussfäden erfolgt vorwiegend durch Reibung. Aus diesem Grund müssen Gewebe auch immer fest und dicht gewebt sein, um eine ausreichende Schiebefestigkeit zu erreichen. Heutzutage werden Gewebe auf maschinellen Webstühlen großindustriell hergestellt. Man kann Gewebe unterschiedlich kategorisieren. Für technische Gewebe, welche in der Herstellung von Faserverbundwerkstoffen Verwendung finden, ist eine Kategorisierung nach Webmuster am sinnvollsten.
Roving
Als Roving bezeichnet man ein Multifilamentgarn. Multi-steht für „viele“, Filament für eine Endlos-Faser. Beim Roving handelt es sich also um ein Garn, welches aus vielen, theoretisch unendlich langen Fasern besteht, welche mehr oder weniger lose nebeneinander liegen. Ein Roving ist demnach nicht verdreht oder verdrillt. Es gibt allerdings auch Rovings, welche eine leichte Drehung zur Stabilisierung aufweisen. Diese leichte Drehung beinhaltet in der Regel weniger als 10 Drehungen pro Meter. Rovings gibt es wie alle Garne, die auf Endlosfasern basieren, nur auf Basis von Kunstfasern. Hier kommen vor allem Glasfasern, Kohenstofffasern und Aramidfasern zum Einsatz. Rovings werden nach der Anzahl und Feinheit der einzelnen Filamente charakterisiert. 3 K entspricht beispielsweise 3000 Filamente pro Garn, 800 tex entspricht einer Feinheit von 800 Gramm pro 1000 Meter Filament.
Leinwandbindung
Die einfachste Gewebeart ist die Leinwandbindung. Hier wechseln sich Kettfaden und Schussfaden regelmäßig ab, so dass der Verlauf des Kettfadens immer genau unter einem Schussfaden und dann wieder über einen Schussfaden verläuft. Die Leinwandbindung ist gut geeignet für flächige Laminate, aber schlecht drapierbar. Die Drapierbarkeit bestimmt inwieweit es möglich ist gekrümmte Konturen mit dem Gewebe nachzuformen ohne eine Faltenbildung des Gewebes. Diese ist eine notwendige Voraussetzung für dreidimensional geformte Verbundwerkstoffbauteile, welche beispielsweise im Resin-Transfer Molding Verfahren (kurz RTM) hergestellt werden können.
Körper
Die Körperbindung ist ebenfalls eine viel verwendete Gewebeart. Hierbei verläuft der Schussfaden zunächst über einem Kettfaden hinweg und anschließend unter zwei oder mehr Kettfäden hinunter. Beim nachfolgenden Schussfaden (also die nächste Reihe) verschiebt sich dieses Muster immer um einen Kettfaden. So entsteht eine Oberflächenstruktur mit einem sichtbaren Diagonalen Verlauf. Dieser wird Grat genannt. Die Körperbindung ist deutlich besser drapierbar aber ebenfalls für steife flächige Laminate geeignet.
Atlas
Die Atlasbindung bildet eine ungleiche Vorder- und Rückseite des Gewebes. Bei dieser Bindung verläuft der Schussfaden erst oberhalb von einem und dann unterhalb von mehr als zwei Kettfäden. Auch diese Bindung ist gut drapierbar und bildet steife Laminate aus.
Unidirektional
Dies ist im eigentlichen Sinne kein Gewebe. Unidirektional bezeichnet man wie der Name schon impliziert ein Garngelege, bei dem die Garne alle in einer Richtung ausgerichtet sind. Hierdurch erreicht man das maximale Faservolumen in einer Richtung, was wiederum in dieser Richtung zu exzellenten mechanischen Eigenschaften führt. Das Materialverhalten ist damit stark anisotrop, also sehr von der Richtung anhängig. Die gelegten Garne werden häufig nur mit möglichst wenigen, kleineren Fäden in Querrichtung fixiert.
Scheindreher
Bei dieser Gewebeart werden in Kettrichtung, aber manchmal auch zusätzlich in Schussrichtung wechselnd Fäden verwendet, die sich über- und untereinander schieben und dabei verdrehen. Diese Gewebe sind sehr gut drapierbar und eigenen sich für sehr voluminöse Laminate.
Roving-Gewebe
Jede Art von Gewebe basierend auf einem Roving Garn wird als Roving-Gewebe bezeichnet. Die häufigsten Gewebe sind die Leindwandbindung und die Körperbindung. Die Atlasbindung ist ebenfalls möglich. Unidirektional findet das Roving auch sehr häufig Anwendung, da hier die Verstärkungswirkung in einer Richtung maximiert wird. Gewebe mit vielen Krümmungen im Garn, wie z.B. die Scheindreher-Bindung sind eher schwierig herzustellen und werden daher industriell nicht genutzt.
Fazit
Fasern bilden eine der Grundlagen vieler Faser-Verbundwerkstoffe. Sie kommen in unterschiedlichen Formen zum Einsatz. Als Faser, Garn oder Gewebe, aber sie sind immer maßgeblich im Material, um die mechanischen Eigenschaften zu verbessern. Ohne die exzellenten Eigenschaften der verschiedenen Naturfasern und Kunstfasern wären moderne Faser-Verbundwerkstoffe auch Composites genannt in der uns bekannten Form nicht möglich.